Ich habe in meiner Zeit als Unternehmer und Geschäftsführer zwei große Krisen mit meinen Unternehmen durchlebt. Zuerst die New-Economy-Krise Anfang der 2000er, während der sich unser Umsatz halbiert hat und ich fast die Hälfte der damals 100 Mitarbeiter habe entlassen müssen, um zu überleben, und die einen Großteil der damaligen jungen Internet-Unternehmen und Startups einfach weggefegt hat. Und dann die Finanzkrise von 2008/2009, aus der wir aufgrund schneller Reaktion und sehr klarer Fokussierung unseres Leistungsangebotes eher als Gewinner hervorgegangen sind.

Was ich aus diesen Krisen gelernt habe, ist, dass Krisen eines solchen Ausmaßes, wie wir es aktuell aufgrund der Corona-Pandemie erleben, in ihrer Entstehung zwar sehr unterschiedlich sind, dass sie aber alle nach dem gleichen Muster ablaufen. Sie kommen in der Regel in Wellen. Zuerst der Big Bang. Die negativen Nachrichten am Markt überschlagen sich und es geht gesamtwirtschaftlich erst einmal sehr schnell und sehr steil nach unten. Ist die erste Talsohle erreicht, setzt meistens eine Art Schockstarre ein. Danach keimt meist wieder etwas Hoffnung, die aber schnell von den realen negativen Wirtschaftsdaten am Markt wieder zerstört wird. Es folgt eine weitere, nicht mehr ganz so tiefe Talsohle, die sich aber abhängig von der Ursache und den Auswirkungen länger hinzieht, bevor es dann irgendwann wieder sehr langsam aufwärts geht.

Situation analysieren

Um möglichst unbeschadet durch die Krise zu kommen, analysiert Ihr zuerst Eure Situation. Welche Kunden habt Ihr aktuell eigentlich und in welchen Branchen macht Ihr euer New Business? In welchem Ausmaß sind Eure Kunden und deren Branchen von der Krise betroffen? Man kann hier grob in zwei Gruppen unterteilen.

1. Die Unternehmen, die von den Folgen der Krise direkt betroffen sind. Aktuell sind das z.B. die Automobil- und deren Zulieferindustrie, aber auch Airlines oder die Touristikbranche. Dort ist zunächst einmal überhaupt nicht absehbar, wie und ob es überhaupt weitergeht. Das bedeutet für Euch als Dienstleister, dass schon bestehende Projekte gestoppt werden und von dort so schnell keine neuen Aufträge mehr zu erwarten sind – falls Ihr nur ein „Nice to have“-Produkt anzubieten habt.

2. Die Unternehmen, die nur indirekt von der Krise betroffen sind und denen es im Grunde erst mal weiterhin gut geht. Weil sie aber fürchten, dass es sie auch noch treffen könnte, machen sie sicherheitshalber auch die Schotten dicht. Auch sie stoppen Projekte, fahren die Ausgaben runter und vergeben wenig bis keine neuen Aufträge. Das Ganze ist eher ein psychologischer Effekt, der je nach Entwicklung der Krise länger anhalten wird – mindestens sechs bis zwölf Monate.

Neu planen und schnell handeln – sehr schnell

Entwickelt schnellstmöglich einen der neuen Situation angepassten Stufen-Plan. Welche Sofortmaßnahmen müssen unverzüglich umgesetzt werden? Wie sieht es mittelfristig in zwei bis drei Monaten aus? Wie langfristig in sechs bis zwölf Monaten? Der wichtigste Punkt der Planung ist sicherzustellen, dass das Unternehmen die Krise überlebt. Wenn Ihr zu lange wartet und die Umsetzung nur zögerlich angeht, kann das bereits das Ende für Euer Unternehmen bedeuten.

Cash, Cash, Cash – Liquidität ist alles

Hopp oder top? Ob Ihr die Krise übersteht, hängt ganz entscheidend von der Liquidität/dem Cash des Unternehmens ab und von der Frage, für wie viele Monate das Geld reicht. Geht nicht davon aus, dass eine solche Krise nach drei Monaten schon wieder vorbei ist. Ihr müsst damit rechnen, dass sie ein bis eineinhalb Jahre dauern wird. Wenn Euch die Aufträge wegbrechen, müsst ihr sehr schnell Maßnahmen ergreifen, um die Kosten entscheidend zu reduzieren. Hier gilt es, den Status Eurer Finanzen stets im Auge zu behalten, damit Ihr einen möglichst langen finanziellen Atem habt.

Mut zu radikalen Entscheidungen – wenn es sein muss

Um zu überleben, sind je nach Situation auch radikale Schritte nötig: Gehaltsreduzierungen, Kurzarbeit 100, Entlassungen oder im schlechtesten Fall sogar, das Unternehmen in den Winterschlaf versetzen. Ihr müsst das tun, was zum Überleben notwendig ist. Wenn radikale Einschnitte nötig sind, dann macht sie schnell und tief, aber möglichst nur einmal. Vermeidet dabei eine Salami-Taktik.

Auch Startups, die meist gut oder gerade frisch finanziert sind und so z.B. zwölf Monate durchhalten können, müssen in Krisensituationen schnelle Entscheidungen treffen. Entweder auch Ihr reduziert die Kosten, z.B. durch Kurzarbeit, um statt 12 Monate 18 Monate durchhalten zu können. Oder ihr nutzt die Zeit der niedrigen Projektauslastung, um mehr Kapazitäten in die Produktentwicklung zu stecken. Das bedeutet aber auch, dass Ihr den Markt sehr genau beobachten müsst, um die Zeitspanne bis zum Anlaufen neuer Projekte zuverlässig einschätzen zu können. Nicht dass Euch am Ende doch noch der Cash ausgeht, bevor die Krise überwunden ist. Entscheidend ist, dass Ihr noch da seid, wenn die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt. Denn wer seine Chancen am Markt verbessern und als Gewinner aus der Krise hervorgehen möchte, muss möglichst kluge Entscheidungen treffen, an welchen Stellen gespart und an welchen möglicherweise sogar mehr investiert wird.

Die Krise nutzen

Eine Krise kann auch eine sehr große Chance sein. Verwandelt die Sorgen und Zweifel, mit denen Ihr aktuell zu kämpfen habt, in Energie und Kreativität. Motiviert euer Team, packt gemeinsam an, kämpft! Jetzt erst recht!!!

Und nutzt die Zeit, die Ihr gerade übrighabt, um Prozesse und Abläufe für die Zukunft zu optimieren.

Kommunikation ist gefragt – sehr viel Kommunikation

Das fängt mit Eurem Team an, betrifft Eure Investoren genauso wie Eure Kunden, aber auch Lieferanten und Partner. Sprecht offen mit ihnen und versucht Euch gegenseitig zu unterstützen.

Nicht weniger, sondern mehr Marketing

Der zweitwichtigste Punkt nach der Liquidität ist der Bereich Marketing und Sales. Aktive, auf den direkten Verkauf ausgerichtete Sales-Kampagnen werden in der Krise wahrscheinlich wenig Erfolg haben. Nutzt die Zeit besser dafür, Euer Marketing und Eure Unternehmenskommunikation auszubauen. Erfolgreiche Firmen haben in Krisenzeiten nicht weniger Kommunikation gemacht, sondern mehr!

Kommuniziert also mehr mit den bestehenden Kunden und noch mehr mit potenziellen Neukunden. Schreibt mehr Kunden an, klopft an noch mehr Türen. Geht ihnen nicht mit direktem Sales auf die Nerven, sondern informiert sie über Euch und über Eure Produkte. Entwickelt dafür eine Content-Strategie. Positioniert Euch noch klarer am Markt. Wofür steht Euer Unternehmen? Definiert ein noch spitzeres Angebot, für das Ihr als Experte wahrgenommen werden wollt. Stärkt die Sichtbarkeit Eures Unternehmens. Kommuniziert dort, wo Eure Kunden gerade sind. Wenn wie aktuell alle Messen ausfallen, um Leads zu generieren, dann geht neue Wege, z.B. über Lead-Kampagnen auf LinkedIn oder Xing. Definiert ggf. neue Branchen, die Ihr angehen wollt. Sucht Euch Firmen, die von der Krise weniger betroffen sind. Recherchiert die Ansprechpartner, schreibt sie an, kontaktiert sie mit interessanten Infos über Euer Produkt oder Eure Dienstleistung.

Baut die Leadgenerierung weiter aus, indem Ihr Eure Homepage entsprechend überarbeitet, Pillar-Pages erstellt, Eure Keywords anpasst etc. … All das sind Maßnahmen, die sich auch mit einem reduzierten Marketing-Budget umsetzen lassen.

Führungsstärke beweisen

Um Euer Unternehmen erfolgreich durch die Krise zu führen, sind der Mut zu unpopulären Entscheidungen und Konsequenz nötig, aber auch eine intensive Kommunikation im Team und mit den einzelnen Mitarbeitern. Ihr müsst sehr viel mehr miteinander reden und dürft keine falschen Versprechungen machen, die am Ende nicht zu halten sind. Gerade in der Krise kommt es auf das richtige strategische Denken und Handeln an. Versucht möglichst immer einen Schritt voraus zu sein und holt Euch Rat bei erfahrenen Ratgebern, die das alles schon einmal durchlebt haben.

Und noch was …

Man muss so ehrlich sein: Trotz der enormen Unterstützung durch den Staat werden viele Unternehmen und Startups die Krise nicht überleben. Diejenigen aber, die sie überleben, werden gestärkt daraus hervorgehen.

Und glaubt ja nicht, dass die Krise schnell wieder vorüber ist. Die Erfahrung hat mich gelehrt, es wird sehr viel länger dauern, bis eine wirtschaftliche Normalität wiederhergestellt ist, als man anfangs gedacht hat.

Die wichtigsten Punkte noch einmal im Überblick:

1. Situation analysieren
2. Neu planen und schnell handeln – sehr schnell
3. Cash, Cash, Cash – Liquidität ist alles
4. Mut zu radikalen Entscheidungen – wenn es sein muss
5. Die Krise nutzen
6. Kommunikation ist gefragt – sehr viel Kommunikation
7. Nicht weniger, sondern mehr Marketing
8. Führungsstärke beweisen

Andreas Preen
Gründer und Unternehmer, Aufsichtsrat, Beirat und Gründer-Coach