Um an einem Beispiel exemplarisch aufzuzeigen, warum junge Unternehmen mit einem Beirat erfolgreicher sind, möchte ich kurz von meinen eigenen Erfahrungen als mehrfacher Gründer und Unternehmer erzählen.
Mein Unternehmen, eine der ersten Digital-Agenturen Deutschlands, war damals ca. vier Jahre alt. Die Agentur war seit ihrer Gründung extrem schnell gewachsen. Wir haben jede Menge Pitches und Projekte gewonnen, sind aber mit der Umsetzung kaum hinterhergekommen, weil wir chronisch viel zu wenig Personal hatten. So schnell konnten wir zusätzliche Mitarbeiter gar nicht einstellen, wie wir sie gebraucht hätten.
Ich wollte meinen Kunden damals, also lange bevor das Thema E-Commerce am Markt überhaupt relevant wurde, zeigen, wie ein Online-Shop aussehen und funktionieren kann. Und so haben wir für unseren Kunden Vodafone einen Muster-Shop entwickelt, um testweise Handys und Verträge online zu verkaufen. Wir haben den Shop konzipiert, designt, programmiert und schließlich auch in Betrieb genommen. Dafür habe ich zwei Praktikanten aus unserem IT-Entwicklungsteam abgezogen, was dort angesichts der hohen Auslastung überhaupt nicht gut ankam. Die beiden Praktikanten haben über den Shop sehr erfolgreich erste Handys und Verträge verkauft, und wir hatten nach ein paar Monaten ein hervorragendes Referenz-Projekt für einen der ersten Online-Shops in Deutschland. Mein Ziel war also erreicht.
Doch damit fingen die Probleme erst an. Der Shop lief so erfolgreich, dass die beiden Praktikanten schon nach kurzer Zeit Unterstützung für die Auftragsabwicklung anforderten, weil sie statt nur einiger weniger plötzlich Hunderte von Handys verkauften. Gleichzeitig forderte das IT-Team immer lautstärker die beiden Praktikanten zurück, da diese für unsere IT-Projekte dringend benötigt wurden. Der Druck wurde von allen Seiten immer größer und so habe ich den Shop – dummerweise – wieder geschlossen. Die Umsetzung unserer Kunden-Projekte erschien mir damals wichtiger als das Betreiben eines Online-Shops. Und der hatte seinen Zweck als Vorzeigeprojekt schließlich bereits erfüllt.
Die Praktikanten kehrten also wieder ins IT-Team zurück und alle waren glücklich. Die URL des Shops, die wir nun nicht mehr brauchten, habe ich einige Monate später für ein paar Tausend Euro an ein Unternehmen verkauft, das großes Interesse daran hatte. Und dieses Unternehmen hat damit einen neuen Shop aufgezogen und innerhalb weniger Jahre ein 7-stelliges EBIT erwirtschaftet. Dumm gelaufen für mich, kann man da nur sagen.
Hätte ich damals einen guten Ratgeber und Sparringspartner an meiner Seite gehabt, hätte er mir mit Sicherheit geraten, den Shop einfach wie ein Startup auszugründen und dafür einen Geschäftsführer zu suchen, der ein Team aufbaut und das Ganze völlig unabhängig von der Agentur betreibt. Ausreichend Liquidität für die Ausgründung wäre jedenfalls vorhanden gewesen. Und so hätten wir ein weiteres erfolgreiches Unternehmen aufbauen können.
Die Frage, ob ich aufgrund meiner unternehmerischen Erfolge mit Ende 20 bzw. Anfang 30 nicht zu arrogant gewesen wäre, um einem Ratgeber, wie ich es heute bin, überhaupt zuzuhören, kann ich nicht sicher beantworten. Das muss ich ganz offen zugeben. Was ich aber aufgrund meiner Erfahrungen aus mehreren Gründungen, schnellen Aufbau- und auch kritischen Phasen mit Sicherheit weiß, ist, dass ich damals viele Fehler hätte vermeiden können, wenn ich einen erfahrenen Ratgeber als Sparringspartner oder Mentor an meiner Seite gehabt hätte.
Was sind die konkreten Vorteile eines Beirats?
Einem jungen Unternehmen bzw. einem erstmaligen Gründer fehlt es zwangsläufig an unternehmerischer Erfahrung. Mit seinem Produkt und seinem Angebot kennt er sich sicher hervorragend aus. Wenn es aber darum geht, in einer schnellen Wachstums- oder kritischen Phase realistische Strategien zu entwickeln, Prozesse zu planen oder anzupassen, Teams neu zu strukturieren, die richtigen Führungskräfte einzustellen, Marketing und Sales oder das Controlling aufzubauen, dann wird er vielfach mit Fragen und Problemen konfrontiert, für die er keine erprobten Lösungen parat hat. Genau hier kann ein Beirat sein externes Wissen und seine Erfahrung einbringen.
Fehlt es einzelnen Geschäftsführern in ihren Aufgabenbereichen an Erfahrung oder treten etwa in Sonder- und Krisensituationen Defizite in der Geschäftsführung zu Tage, kann ein Beirat unterstützen und helfen. Außerdem kann er wertvollen Input und Impulse bei der Entwicklung und Ausarbeitung der strategischen Unternehmensplanung geben.
Sollte es zwischen einzelnen Geschäftsführern, zwischen Geschäftsführung und Gesellschaftern oder zwischen Geschäftsführung und Führungskräften zu Differenzen kommen, kann ein Beirat schlichtend und ausgleichend zu Seite stehen.
Wie wählt man den richtigen Beirat aus?
Der Schwippschwager, der Steuerberater oder der Anwalt sind keine geeigneten Kandidaten. So viel ist sicher. Sie mögen in Ihren jeweiligen Fachbereichen gute Ratgeber sein, eignen sich jedoch nicht als aktiver Beirat, der Erfahrung als Gründer und erfolgreicher Unternehmer mitbringen und möglichst breit aufgestellt sein sollte.
Bei meiner Arbeit als Gründer-Coach erlebe ich immer wieder, dass sich ehemalige, sehr erfolgreiche Vorstände und Geschäftsführer von großen Firmen bis hin zu Dax-Unternehmen als Beirat oder Aufsichtsrat bei Startups und jungen Unternehmen anbieten. Sicherlich verfügen diese über eine entsprechende Expertise und ein exzellentes Netzwerk. Ob sie damit aber einem noch sehr jungen Unternehmen wirklich nützen können, darf bezweifelt werden. Denn in der Regel passen die Erfahrungen eines Vorstandes mit mehreren tausend Mitarbeitern nicht zu den Problemen und Bedürfnissen eines wachsenden Unternehmens mit ca. 5 bis 50 Mitarbeitern.
Außerdem erscheint es mir sehr viel sinnvoller, einen Beirat zu wählen, der selbst Unternehmer ist/war und sein Unternehmen mit eigenem Kapital und Risiko aufgebaut hat, als jemanden, der dieses Risiko nie selbst eingegangen ist.
Wie sieht der richtige Beirat aus?
Die Persönlichkeit des Beirats muss zum Unternehmen passen. Er sollte nach Möglichkeit selbst Gründer sein und die Erfahrungen, die Du als Unternehmer gerade durchmachst, selbst erlebt haben. Im Idealfall sogar mehrfach, um eine entsprechende Expertise aufzubauen. Er sollte alle Phasen eines schnellen Wachstums, aber auch kritische Phasen mitgemacht haben und wissen, was es bedeutet, wenn die Liquidität mal eng wird. Und er sollte Führungsstärke mitbringen, um auch in schwierigen Situationen klare Entscheidungen treffen zu können.
In welchen Bereichen kann ein Beirat helfen?
In den folgenden Unternehmensbereichen benötigen Unternehmer immer wieder Unterstützung von außen. Hier kann ein Beirat entscheidende Hilfestellungen und Anstöße geben.
Aufbau der Unternehmensstruktur:
- Geschäftsmodell
- Unternehmensführung
- Unternehmensstrukturen
- Teamaufbau & Human Resources
- Strukturierung von Finanzen & Controlling
Aufbau der Unternehmensprozesse:
- Geschäftsprozesse
- Vertriebsprozesse
- Verwaltung & Organisation
- Personalauswahl
Marketing & Sales
- Strategie/Positionierung
- Maßnahmenplanung
- Branding, PR, Social Media
- Messkriterien
Wie soll die Beiratstätigkeit vergütet werden?
Die Tätigkeit als Beirat ist kein Ehrenamt, sondern Arbeit! Daher sollte sie auch entsprechend vergütet werden. Ihr solltet mit dem Beirat abstimmen, in welchem Umfang Ihr seine Unterstützung benötigt. Z.B. 4x im Jahr fixe Beirats-Meetings, 1x pro Jahr Teilnahme am Strategie-Workshop, monatlicher oder 14-tägiger Call und jederzeitige Erreichbarkeit für Fragen und kurze Abstimmungen. Schnürt daraus ein Paket mit einer Pauschale für das gesamte Jahr. Als junges Unternehmen müsst Ihr mit einem Tagessatz von 1.000 € rechnen. Die Kosten für ein Jahrespaket sollten dann ca. 6.000 € betragen. Die Abrechnung erfolgt quartalsweise.
Wie sehe ich einen Beirat?
Der Beirat sollte in erster Linie Ratgeber für den Unternehmer sein. Im Idealfall ist er Sparringspartner, Ideengeber und Vertrauensperson.
Ich nehme meine Tätigkeit als Beirat als etwas sehr Verantwortungsvolles wahr. So arbeite ich z.B. nur für und mit Unternehmern, die mir offen und ehrlich gegenübertreten. Damit im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit die Bereitschaft für nötige Veränderungen entstehen kann. Als Beirat bin ich sehr direkt und fordernd, analysiere Probleme und hinterfrage immer wieder den Status Quo, damit Lösungen entwickelt und auch umgesetzt werden. Auf diesem Weg sind bei mir über die Jahre als Beirat und Aufsichtsrat viele gute persönliche Beziehungen und Freundschaften entstanden.
Andreas Preen
Gründer und Unternehmer, Aufsichtsrat, Beirat und Gründer-Coach